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Die Nation als Mama
Die Individuation des Kindes bedingt eine Trennung von der dyadischen Mutterbeziehung. Diese Trennung wird vom Kind angstvoll erlebt und als Verlust eines Teils seines Selbst empfunden (Verlassenheitsdepression). Wenn gleichzeitig die Mutter ein sehr starkes Bedürfnis hat, sich an das Kind zu klammern und die Separations- und Individuationsbemühungen des Kindes unterbindet, kommt es zu einem Entwicklungsstillstand, der folgendes beinhaltet: Verbleiben in der Dyade wird (von der Mutter) belohnt, Individuation wird mit Liebesentzug bestraft. So entstehen die für die Borderline-Persönlichkeit typischen intrapsychischen Merkmale. Individuation bedingt die Akzeptanz des "Dritten", des Vaters, sowie die Hinwendung zur und Erkenntnis der Realität, die zunächst als fremd und unbefriedigend erlebt wird; die dyadische Beziehung wird hingegen als lustvoll erlebt. Bei einem Teil des Ichs unterbleibt so die notwendige Umwandlung des Lust-Prinzips ins Realitäts-Prinzip, denn damit wäre die Anerkennung der Realität der Trennung verbunden, was zum Ausbruch der Verlassenheitsdepression führen würde. Ein gespaltenes Ich ist die Folge: ein pathologisches Lust-Ich, das sich von Verlassenheitsgefühlen zu befreien sucht, und ein Real-Ich, welches das Realitäts-Prinzip verfolgt. Die "Ihr"-Vorstellungen werden in zwei mit den entsprechenden Affekten verknüpfte Teileinheiten gespalten: in eine belohnende (Mutter Nation) und eine entziehende (Vater Staat und "das Fremde": Ausländer) Teileinheit. Deshalb ist es für den Rechtsextremen so wichtig, alles Fremde aus den Grenzen der Nation zu verbannen: sie stellen seine Beziehung zur Mutter Nation (in die er hineingeboren ist wie in den Mutterbauch) in Frage. Zum Vater Staat, der die Ausländer duldet, entsteht Mißtrauen und Angst, weil der Rechtsextreme ihn als Angreifer erlebt, hieraus wiederum entwickelt sich das Gefühl, sich gegen ihn wehren zu müssen und ihn unter Kontrolle zu halten. Es ist so, als hinge für den Rechtsradikalen sein Leben davon ab, ob es ihm gelingt, den Vater Staat in Schach zu halten und die Liebe der Nation zu bewahren.
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