Prä-ödipale
psychische Entwicklungsstufen
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Während das frühe prä-ödipale Selbst kannibalistisch die Welt als ein Objekt versteht, daß zum eigenen Spaß vernichtet werden muß, sieht das späte prä-ödipale Selbst die Welt als Zitze, die nur zur eigenen parasitären Befriedigung und als Haßobjekt dient. Die Welt wird als eigene Mama gesehen, begehrt und verhaßt. Es bestehen deutliche Zusammenhänge zwischen der frühkindlichen Entwicklung und der Fähigkeit zu vernünftigem Denken; die Vernunftsfähigkeit hängt wesentlich von der emotionalen Entwicklung des Menschen ab, insbesondere davon, ob der Prozess der Legierung von Sexualität und Aggression gelungen ist. Die psychische Entwicklung des Kindes ist zwischen dem sechsten und dem achtzehnten Lebensmonat hinsichtlich einer Borderline-Pathologie wesentlich gefährdet. Die Mutter wird als Engel idealisiert und dieses Bild wird beibehalten, um die Mutter nicht auch als Teufel sehen zu müssen. Die Fremdenangst ("fremdeln"), die etwa im achten Lebensmonat auftritt, wird dadurch verursacht, daß auf den Fremden das "teuflische" "Wir"- und "Ihr"-Bild projiziert wird, das vom "heiligen" abgesondert wurde. Die Realität wird in "gut" und "böse" aufgespalten, und es findet kein Prozess statt, der diese beiden Extreme zu der Einsicht legiert:"Der Andere ist teilweise böse, aber er istauchgut.". Dadurch wird die weitere Integration von "Wir" und "Ihr"-Vorstellungen behindert. Spaltungsmechanismen sind an sich Bestandteil jeder normalen Entwicklung, da durch sie die gute Beziehung zur Mutter und zu sich selbst trotz Frustration intakt gehalten wird und das Selbst des Kindes gegen die überwältigende Zersetzung von Liebe durch Haß geschützt wird; dementsprechend teilt die pathologische Spaltung andere in "heilig" und "teuflisch" ein; sie ist der wichtigste psychische Abwehrmechanismus der Borderline-Persönlichkeitsstruktur. Das Versagen verinnerlichter Mutterbeziehungen auf dieser Entwicklungsstufe ist also der ausschlaggebende Faktor der Borderline-Persönlichkeitsstruktur. In diese Kategorien gehören mehrere Arten schwerer Charakterstörungen: Süchte, narzißtische und infantile Persönlichkeiten, schwere Perversionen und antisoziale Persönlichkeitsstrukturen. Die Borderline-Persönlichkeitsstruktur gelangt in ihrer Entwicklung zu einer Differenzierung der "Wir"-Bilder von den "Ihr"-Bildern, in einem Maße, das es erlaubt, zwischen sich selbst und Anderen zu unterscheiden. Die "heiligen" und "teuflischen" Mutterbilder jedoch miteinander zu einem ausgewogenen und differenzierten Begriff von "Wir" und "Ihr" zu integrieren, gelingt dem Borderliner aufgrund primitiver Aggression nicht. Unerträgliche Angst und drakonische Schuldgefühle verhindern diese Integration. Die Abwehrmechanismen bei der Psychose sind darauf ausgelegt, die Angst vor Verschlingung und Vernichtung abzuwenden, bei Borderline-Zuständen geht es darum, Liebe und Haß voneinander zu trennen. Borderline-Kranke haben zwar im Gegensatz zu Psychotikern die Fähigkeit zur Realitätsprüfung bewahrt, in zwischenmenschlichen Beziehungen und beim subjektiven Erleben der Realität haben sie jedoch weiterhin große Schwierigkeiten, die aus einem chaotischen Nebeneinander von Abwehr primitiver Impulse, mangelndem Einfühlungsvermögen und Identitätszerfall herrühren. Die Integration eines Über-Ich hat auch die Funktion einer inneren Führung, wie die Eltern das Kind durch Verbote ("Das darfst du nicht") und Gebote ("Das sollst du tun") führten. Mangelt es an diesem inneren Führungssystem, führt das zu einer Abhängigkeit von äußeren Quellen der Beruhigung, des Lobs und der Bestrafung. Die Erörterung der Borderline-Pathologie führt ebenfalls zur Betrachtung von Selbstzerstörungsmustern. Innerhalb der "normalen" Entwicklung wird die nach innen gerichtete triebhafte Aggression zum und im Über-Ich verarbeitet, sie wird vom Gewissen neutralisiert. Erfährt die Aggression keine solche Verarbeitung, richtet sie sich in selbstzerstörerischem Verhalten gegen die Person selbst.
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